Konzept

GesamtKunstWerk?

Ein Gesamtkunstwerk ist ein Kunstwerk. Soweit ist ja alles klar. Aber was heißt “Gesamt”?

Definitionsversuch

“Schneckenhaus” oder “Wellerhaus”? – Egal! Zwei Namen für ein außergewöhnliches Projekt: Der erste Namen wurde diesem Haus von seinen vielen Besuchern verliehen und ist ein erster Versuch, die Architektur begrifflich zu fassen. “Schlumpfhaus” oder “Hexenhaus” sind hier die Synonyme. “Wellerhaus” steht für die Erbauer und deren Leistung, ihre Vorstellungen vom Wohnen mit den Vorstellungen des Architekten (Dieter Schmid) und des Künstlers (Martin Heilig) zu einem umfassenden Ganzen zu formen. Eben zu einem Gesamtkunstwerk, bei dem sich im nachhinein kaum noch auseinanderdividieren läßt, von wem nun welche Idee stammte.

Alles in diesem Haus ist aufeinander bezogen! Jedes Detail findet sich wieder – verändert, zitiert, ausgelassen, kopiert …

Daß nichts weggelassen werden kann, ohne etwas völlig anderes zu schaffen! Daß alles sich auf alles bezieht! Daß Architektur, Kunst und menschliche Wohnbedürfnisse eine Synthese eingegangen sind!

Erläuterung

Das Wellerhaus lebt von seiner Dynamik: Es besteht aus zwei gegeneinander verschobenen, um eine Mittelsäule gedrehten und ansteigenden Halbkreisen, deren Elemente in ihrer Grundform Dreiecken entsprechen. Diese Dynamik und Veränderung findet sich auch in der Bemalung und Ausgestaltung der Innenräume wieder.

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Die Kunst Martin Heiligs greift diese Veränderungen auf, indem sie sich in ihrer Bildaussage selbst, je nach Standpunkt des Betrachters, verändert. Ideal läßt sich dies an einem Detail aus der Gestaltung der Mittelsäule zeigen. Hinter dem Durchbruch durch die Mittelsäule ist die Bemalung der dahinter liegenden Wand zu sehen.

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Nun zum Vergleich das gleiche Bild aus einer anderen Perspektive, die einem Standpunkt des Betrachters an der Terrassentür entspricht:

Haben Sie es gesehen? Die jüngere der beiden Frauen schaut ihnen immer noch ins Gesicht, die ältere der Beiden ist nicht mehr Teil des Bildes – je nach Standpunkt des Betrachters ist die Bildaussage also eine andere.

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Das Bild greift aber nicht nur optisch in den Raum hinein und nach dem Betrachter. Zum Charakter eines Gesamtkunstwerkes gehört ja gerade, daß sich alle Teile aufeinander beziehen -, daß eben nicht nur ein Bild an der Wand hängt – und daneben ein anderes, sondern daß beide zusammen betrachtet werden müssen. Hier läßt sich dies gut daran zeigen, daß die Faust der Frau des zentralen Bildes auf ihre Umgebung, z.B. das Geländer, einwirkt – also auch körperlich in den Raum hinein greift.

Das Treppengeländer wird unter der Wucht der Faust verbogen, verformt sich, ist somit nicht mehr störend vor dem Bild, sondern Teil des Bildes, und damit im Bild!

Wie das funktioniert?

Das Bild ist auf einen gewölbten Untergrund gemalt. Die Bildausschnitte werden in erster Linie durch die Größe und Lage der Wanddurchbrüche der Mittelsäule bestimmt. Eine Kunst, der der Künstler Martin Heilig den Namen ANA-Kunst gegeben hat.

SchneckenHaus, FertigHaus, BauHaus?

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[1] Schneckenhaus:

Die Grundstruktur des Hauses sind zwei um eine Mittelsäule verschobene Halbkreise. Die Halbkreise bestehen aus fünf (Hinten) bzw. sechs (Vorne) Elementen, die sich in ihrem Neigunswinkel so unterscheiden, daß eine Spiralform entsteht – also eine “Schnecke”.

[2] Fertighaus:

Jedes der Elemente hat die Form eines Dreiecks. Die Spitzen der Dreiecke laufen in der Mittelsäule zusammen. Ihre Form ist identisch – und die Dachelemente wurden seriell gefertigt. Wie bei jedem Fertighaus auch!

[3] Bauhaus:

Die Maße der Dreiecke entsprechen Corbusiers Modulormaßen.

Und nochmal ganz langsam …

Zum besseren Verständnis haben wir den vorderen Halbkreis aus sechs Elementen für Sie einmal “aufgeklappt”:

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Sie sehen die Grundstruktur aus Dreiecken? Nun, diese sind zwar in ihren Maßen identisch, allerdings unterscheiden sie sich in ihrem Neigungswinkel: Dieser nimmt auf der Vorderseite von rechts nach links zu. Daher die Spiralform, die dem Haus den Namen “Schneckenhaus” eintrug.

Drucken Sie dieses Bild und schneiden sie den Plan an den schwarzen Linien aus. Kleben sie den vorderen Halbkreis zusammen: Immer die schräge Seite der Dreiecke an die daneben liegende senkrechte Seite. Sie erhalten: Eine halbe Spirale!

Verzweifeln Sie nicht! Die Bauarbeiter haben auch erst verstanden, was sie tun, als alles fertig war. Als kleiner Hinweis hier nun ein Bild von der Montage des Daches:

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Drei Elemente des Daches des vorderen Halbkreises sind schon montiert. Ein Arbeiter verschweißt gerade Element 3, das noch an Kranseilen hängt, mit Element 2. Die fehlenden drei Elemente des Daches der Vorderseite lassen den Blick in das Wohnzimmer frei.

Sie sehen auch, daß die Spitzen der dreieckigen “Dachplatten” auf der Mittelsäule aufliegen und von rechts nach links in ihrer Neigung zunehmen.

Richtig zusammengefügt ergibt sich demnach folgende Aufsicht, wobei in der Mittelsäule selbst – die auf dieser Ebene wie ein Turm über das sich um sie drehende Dach steht – noch ein Arbeitszimmer Platz gefunden hat.

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Sie sehen: Die Mittelsäule ist nicht nur Stütze für die “Dachplatten”, sondern auch ein Turm mit Zimmern. Ganz oben ein Arbeitszimmer, darunter (siehe Plan vom EG ganz oben) die Küche und eine Toilette, und im Keller der Kaminraum!

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Da das Wellerhaus auf einem Hanggrundstück liegt, liegt im Erdgeschoß nur der vordere Halbkreis über der Erde. Der hintere Halbkreis bietet Platz für Keller und Funktionsräume.